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Leseprobe: Ohne Warnung

  • Autorenbild: Monka
    Monka
  • 23. Feb.
  • 2 Min. Lesezeit





Leseprobe: Ohne Warnung von Sebastian Cohen





Weiße Federwolken am Himmel und leises Vogelgezwitscher wirken beruhigend, wenn man im Schatten alter Bäume auf einem Waldboden liegt und Zeit hat, das Blau über einem zu betrachten. Feuchtwarme Waldgerüche und der intensive Duft von blühenden Wildblumen lassen einen entspannen. Gerade kündigte sich die Sonne an, um den neuen Tag zu begrüßen. Doch an einen Genuss der Umgebung war in diesem Moment nicht zu denken. Schweißüberströmt vor Schmerzen fiel es ihm schwer, die Schönheit des anbrechen-den Sommertages zu genießen. In den letzten Stunden verlor er stetig Blut und mit den immer heftiger werdenden Schmerzen konnte er kaum noch klar denken.

Im satten Grün der Wiesen und Felder kann man barfuß laufen, um die Kraft der Pflanzen in sich aufzusaugen. Doch jetzt in diesem Augenblick war es umgekehrt. Die Kraft verließ ihn tröpfchenweise und die Erde saugte sie auf. Er düngte mit seinem Blut den Waldboden. Ohne seinen Gürtel, den er vor nicht allzu langer Zeit bei einem Straßenfest gekauft hatte – ironischerweise mit lebenslanger Garantie – wäre er wohl schon verblutet. Am Oberschenkel hatte er sich das Bein damit abgebunden, um die Blutungen halbwegs zu stoppen. Die versprochene Garantie sollte nicht hier und sicherlich nicht heute enden. Unkontrolliert vor Schmerzen liefen ihm Tränen über sein verschmutztes Gesicht und hinterließen kleine helle Streifen. Er biss die Zähne zusammen und Wut breitete sich in ihm aus, dass er sich in solch einer bescheuerten Lage befand. Gedanken kreisten in seinem Kopf und er bemerkte nicht, dass sich Fliegen über die süße, rotefließende Abwechslung hermachten, die am einzigartigen Acht-Dollar-Lederdruckverband noch immer hervorquoll. Ohne es bewusst wahrzunehmen, tauchte er langsam ab in Ebenen zwischen Traum und Halluzination. Bilder kamen aus den tiefsten Winkeln seines Gehirns. Hinter seinen geschlossenen Augen erschienen sie wie vor einer Kinoleinwand. Er konnte sich nicht wehren, konnte sich nicht mehr konzentrieren. Eine Situation, die ihm Sorgen bereiten sollte. Hatte er gerade die Eintrittskarte für die letzte Vorstellung gelöst? Lief hier gerade der Abspann? Das kann es nicht gewesen sein. Nicht jetzt, nicht so, nicht hier in diesem Wald. Er war doch erst 16. Mehr und mehr lose Bilder reihten sich im Delirium zu einem Film zusammen. Er reiste einige Jahre zurück. In sein Bewusstsein schoben sich Erinnerungen an jenen Tag, der sein Leben für immer verändern sollte.



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